Interview mit Rechtsanwalt und Notar Frank d’Alquen zum Thema Patientenverfügung

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Rechtsanwalt d’Alquen Pressebericht Patriot 01.11.2016

Geseke • Niemand denkt gerne an seinen eigenen Tod. Leicht und schnell soll er sein, das liegt auf der Hand. Aber wenn nicht? Siechtum an Apparaten ist für viele Menschen eine schreckliche Vorstellung. Kein Wunder, dass die Vorträge des Rechtsanwalts und Notars Frank d’Alquen, die er für die Hospizbewegung hält, eine große Resonanz erfahren. Zumal der Bundesgerichtshof (BGH) unlängst die Formulierung einer Patientenverfügung als zu ungenau bezeichnete. Mit Frank d’Alquen sprach Redakteur Frederick Lüke.

Herr d’Alquen, warum haben die Menschen so viele Fragen zum Thema Patientenverfügung?

Frank d’Alquen: Weil die Menschen sich Gedanken über ihr Lebensende machen. Sie möchten selbst bestimmen und sichergehen, dass ihre Wünsche berücksichtigt werden.

Gibt es denn Vorlagen für die perfekte Patientenverfügung, in der alle Aspekte eindeutig und gerichtsfest festgehalten sind?

d’Alquen: Es gibt 180 vorgefertigte Verfügungen in Deutschland, die von der evangelischen Kirche bis hin zum Zentralrat der Muslime formuliert wurden. Man muss sich fragen, welche für einen selbst die richtige ist. Durch das BGH-Urteil verspüren viele nun eine Rechtsunsicherheit.

Wie sähe denn der Idealfall aus?

d’Alquen: Innerhalb der Notfallmedizin greift die Verfügung noch nicht, dann machen die Ärzte zunächst alles, was sie können. Im Krankenhaus wird dann geschaut, ob jemand schwere irreparable Hirnschäden erlitten hat, die keine Aussicht auf Besserung zulassen. Dann sollte ein zuvor bestimmter Bevollmächtigter da sein, der die Patientenverfügung durchsetzt. Er spricht dann mit dem Arzt, ob und welche Weiterbehandlung sinnvoll ist. Hat ein Patient beispielsweise eine Magensonde, kann man die Nahrungsabgabe einstellen.

Aber was, wenn eine minimale Chance auf Genesung bestünde?

d’Alquen: Es gibt Fälle, in denen Menschen zwei oder drei Jahre künstlich beatmet wurden und die dann wiederkamen. Es ist eine der am schwersten zu treffenden Entscheidungen und für den Arzt der Ritt auf einer Rasierklinge. Darum steht in einer Patientenverfügung auch klar drin, dass nur medizinisch sinnvolle Maßnahmen ergriffen werden sollen. Wenn nur der Sterbevorgang verlängert wird, wenn also eine Grunderkrankung vorliegt, die tödlich endet, dann greift die Verfügung. Es ist ein intensiver Austausch zwischen dem Arzt und dem Bevollmächtigten erforderlich.

Sind denn Abstufungen möglich? Sieht die Patientenverfügung Stellschrauben vor, die jeder für sich betätigen kann?

d’Alquen: Dramatisch wird es, wenn jemand lebensverlängernde Maßnahmen ablehnt, aber einen Organspendeausweis besitzt. Mitunter muss er dann doch bis zur Organentnahme künstlich am Leben erhalten werden. Solche Dinge können in der Verfügung geklärt werden. Es ließe sich auch eine Frist bis zum Inkrafttreten einarbeiten, beispielsweise dass erst vier Wochen nach der Erkrankung gehandelt werden soll. Es sollte beispielhaft aufgezählt werden, was man nicht möchte. Oder was ich ausdrücklich möchte, wie weiterhin künstliche Flüssigkeitszufuhr und intensive Schmerztherapie.

Muss ich denn meine Verfügung überhaupt über einen Rechtsanwalt oder Notar festklopfen?

d’Alquen: Nein, man muss sie nicht notariell beurkunden. Man sollte nur ausschließen, dass beispielsweise der Arzt die Unterschrift und damit die Gültigkeit anzweifelt. Und man sollte sie rechtzeitig machen. Ist man nicht mehr selbst dazu in der Lage, ist es zu spät.

Wer sollte denn eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht haben?

d’Alquen: Jeder!

Quelle: Geseker Zeitung 01.11.2016